Mit
ca. 5,2 Millionen Einwohnern ist Sankt Petersburg nach
Istanbul, Moskau und London die viert größte Stadt
Europas.
Gegen Ende des
17. Jahrhunderts scheiterte die Expansion Russlands daran, dass ein
Seehafen fehlte. Der junge russische Zar Peter der Große träumte davon, für
Russland ein „Fenster nach Europa“ zu schaffen. Im Süden war der Zugang zum
Schwarzen Meer durch das Osmanische Reich blockiert. So richtete Peter der
Große seinen Blick nach Norden, wo die Küstenregion der Ostsee unter
schwedischer Herrschaft stand.
Um seinen Traum
zu verwirklichen erklärte Peter der Große im August 1700 Schweden den Krieg. Im
Mai 1703 wurde die schwedische Garnison vollständig überrannt. Durch diesen
Sieg erlangten die Russen die Kontrolle über das gesamte Mündungsdelta der
Newa. Zur Verteidigung des Gebiets begann Peter sofort mit dem Bau einer
Festung auf der nahe gelegenen Haseninsel. Damit legte Peter der Große am 16. Mai
1703, vor etwa 300 Jahren, den Grundstein für die Verteidigungsanlage, die
heute als Peter-und-Pauls-Festung bekannt ist. Das ist das offizielle
Gründungsdatum von St. Petersburg, das nach dem Schutzheiligen des Zaren,
dem Apostel Petrus, benannt wurde.
Im Gegensatz zu
vielen anderen Hauptstädten ist St. Petersburg von vornherein als
Vorzeigestadt geplant und gebaut worden. Trotz der Lage im hohen Norden — auf
dem gleichen Breitengrad wie die Shetlandinseln und Oslo — ließ sich Peter
nicht von seinem Bauvorhaben abbringen. Holz wurde aus den Wäldern um den
Ladogasee und bei Nowgorod herangeschafft. Um Steine zum Bauen zu haben, machte
Peter allen Russen, die irgendwelche Handelsgüter nach St. Petersburg
brachten, zur Auflage, auch eine bestimmte Menge an Steinen mitzubringen.
Darüber hinaus verbot er zunächst in Moskau und schließlich in allen anderen
Teilen seines Reiches das Errichten von Steinbauten. So kam es, dass
St. Petersburg arbeitslose Maurer anzog.
Innerhalb
kurzer Zeit wurden Stützpfeiler in den Boden gerammt und es entstanden
Entwässerungskanäle, Straßen, Wohnhäuser, Kirchen, Krankenhäuser und
Regierungsgebäude.
Um 1710 wurde
der Bau des Sommerpalasts in Angriff genommen, einer Sommerresidenz für die
Zaren. 1712 verlegte man den Regierungssitz Russlands samt der vielen
Regierungsämter von Moskau nach St. Petersburg. 1714 wurde dort der erste
noch erhaltene Steinpalast fertig gestellt, und zwar für Alexander Menschikow,
den ersten Fürsten der Stadt. Im selben Jahr begann man auch mit dem Bau der
Peter-und-Pauls-Kathedrale innerhalb der gleichnamigen Festung. Der hoch
aufragende Kirchturm ist ein Wahrzeichen der Stadt. Außerdem entstand an der
Newa ein Winterpalast, der jedoch 1721 wieder abgerissen und durch einen
Steinbau ersetzt wurde. Später baute man das Winterpalais — so wie wir es heute
kennen — mit seinen 1 100 Räumen. Es beherbergt die berühmte Eremitage (das
Kunstmuseum) und bildet den Stadtkern.
Der Bau von
Palästen und großen Gebäuden nahm kein Ende. Viele der Gebäude spiegeln den gewaltigen
Einfluss der Religion auf die Geschichte Russlands wider.
Da wäre zum
Beispiel die Bluterlöser-Kirche. Sie wurde
der Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau nachempfunden und sieht
ähnlich prunkvoll aus. Am 1. März 1881 wurde ein tödliches
Attentat auf den Zaren ausgeübt. Alexander II. war mit seiner Kutsche auf dem
Weg zum Winterpalast, als ein radikaler Nihilist (Volkswille) eine Bombe auf
die Kutsche des Zaren warf. Sie verwundete mehrere Männer der Leibgarde.
Alexander wurde schwer verletzt zu Boden geworfen und befahl nur noch zu Hause
zu sterben, dann verlor er das Bewusstsein. Zwei Stunden später stellten die
Ärzte seinen Tod fest. Auf dem Platz wo Alexander tödlich verblutete, wurde
die Erlöserkirche im altrussischem Still zu Ehren Alexanders II. erbaut.
Die gewaltige
Kirche am Newski Prospekt trug dazu bei, dass diese bedeutendste Straße der
Stadt zu einer der berühmtesten Prachtstraßen der Welt wurde.
In einer Seitenstraße war unser sehr schönes und zentrales Hotel Akyan.
Später begann
man mit dem Bau der Isaak-Kathedrale. Dazu mussten 24 000 Baumpfähle in den
sumpfigen Boden gerammt werden; und zur Vergoldung der wuchtigen Kuppel
verarbeitete man 100 Kilogramm reines Gold..
Diese Kathedrale bei einem
Petersburg-Besuch zu übersehen, ist unmöglich. Mit 101 m Höhe überragt sie das
Stadtzentrum - die goldene Kirchenkuppel ist die viertgrößte der Welt. Die
Petersburger nennen gerne weitere Superlative des Sakralbaus: 12.000 Menschen
haben darin Platz, sein Gewicht von 300.000 t ruht auf 24.000 in den Boden
gerammten Pfählen. Die Wände sind bis zu 5 m dick. Zur Vergoldung wurden 400 kg
Gold verbraucht. Man sollte den Aufstieg auf die Kolonnade nicht versäumen: Aus
43 m Höhe bietet sich ein wunderbarer Rundumblick.
Auch in den
Außenbezirken von St. Petersburg entstanden prächtige Bauwerke. Die
Bauarbeiten an dem Großen Palast, einer Residenz Peters des Großen, begannen
1714 in Peterhof, dem jetzigen Petrodworez. 4,5 Mio. Besucher im Jahr
können nicht irren: Das „russische Versailles“ ist ein Touristenmagnet - und an
Sommerwochenenden hoffnungslos überfüllt. Mehr noch als der Große Palast - ein
300 m langer Barockbau - ist der edle Park mit seiner Fontänenvielfalt Zeugnis
für die Prachtentfaltung der russischen Monarchie. Die größte - und ebenfalls
großzügig vergoldete - Sehenswürdigkeit befindet sich vor dem Palast: die Große
Kaskade mit 138 Wasserstrahlern. Das Wasser fließt hier in ein großes Becken,
das über einen Stichkanal mit der Ostsee verbunden ist. Zentrales Element
dieser Komposition aus Wasser, Marmor, Bronze, Gold und Tuffstein ist die 1735
aufgestellte Samson-Fontäne: Der 20 m hohe Wasserstrahl kommt aus dem Maul
eines Löwen, den Muskelmann Samson niedergerungen hat - eine Allegorie auf den
1709 bei Poltawa errungenen Sieg über die Schweden.
In der
Zwischenzeit wurde in der nahe gelegenen Stadt Zarskoje Selo, heute Puschkin
genannt, der luxuriöse Katharinen-Palast für die Frau Peters des Großen
errichtet. Die größte Attraktion ist
die Nachbildung des legendären Bernsteinzimmers – das Original ist nach dem
Zweiten Weltkrieg verschwunden. Auch der dazugehörige Park kann sich sehen
lassen.
Die glanzvolle,
neu entstandene Stadt St. Petersburg erhielt durch ihre Hunderte von Brücken
über die vielen Flußarme der Newa und über die zahlreichen Kanäle ein ganz
besonderes Gepräge. So kommt es, dass die Stadt oft das „Venedig des Nordens“
genannt wird.
Die Gegner
Peters des Großen ahnten nicht, wie hartnäckig die Russen an ihrem Fenster nach
Europa festhalten würden. In dem Buch Peter der Große — Sein Leben und seine
Zeit wird davon gesprochen, dass das Gebiet an der Newamündung nach der
Besetzung durch den Zaren immer in russischer Hand blieb.
In dem Buch
heißt es weiter: „Auch später ist es keinem der Eroberer, die mit großen Armeen
nach Russland einmarschierte[n] — Karl XII., Napoleon, Hitler — jemals
gelungen, Peters Ostseehafen zu erobern, nicht einmal der deutschen Wehrmacht,
die die Stadt während des Zweiten Weltkriegs neunhundert Tage lang belagert
hielt.“ Während dieser langen Belagerung kamen in der Stadt etwa eine Million
Menschen ums Leben. Viele starben aufgrund von Kälte und Hunger im Winter 1941/42,
als die Temperaturen auf 40 Grad unter null fielen.
Als 1914 der
Erste Weltkrieg begann, wurde die Stadt in Petrograd umbenannt. Im Jahr 1924,
nach dem Tod von Wladimir Lenin, dem Begründer der Sowjetunion, wurde der Name
auf Leningrad geändert. Als schließlich 1991 die Sowjetunion zerfiel, gab man
der Stadt ihren ursprünglichen Namen, St. Petersburg, zurück.
Oft sind
Besucher der Stadt von der Vielzahl an Sehenswürdigkeiten dermaßen überwältigt,
dass sie nicht wissen, wo sie mit ihren Besichtigungen anfangen sollen. Vor
diesem Problem steht man auch in der Eremitage. Es wurde geschätzt, dass es
Jahre dauern würde, wollte man jedes der ausgestellten Werke in den Hunderten
von Räumen auch nur eine Minute ansehen.
Sich in dieser
5-Millionen-Stadt zu Fuß auf den Weg zu machen und den Anblick eleganter
Gebäude entlang der Newa zu genießen, lohnt sich. Aber allein eine Fahrt mit
der Metro, einer der am tiefsten gelegenen U-Bahnen der Welt, kann schon ein
kulturelles Erlebnis sein. Jeden Tag fahren über 2 Millionen Menschen auf
dem 98 Kilometer langen Schienennetz der Metro zwischen den über
50 Stationen hin und her. Einige Stationen gehören zu den schönsten der
Welt. Als die Metro 1955 eröffnet wurde, nannte die New York Times die Stationen
„eine Sammlung von Untergrundpalästen des 20. Jahrhunderts“.
Die Stadt hat
bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen — nicht nur ihrer spektakulären
Entstehung und Entwicklung wegen, sondern auch wegen ihres künstlerischen und
kulturellen Erbes.
Ganz gleich,
welches Interessengebiet einem liegt, ich kann dem nur zustimmen, dass
St. Petersburg als „eine der schönsten Städte Europas“ gilt.
|